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Geschlossener Immobilienfonds – und das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung

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Aktuell hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage der Aufklärungspflicht über das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB in einem Anlageprospekt zu befassen, der die Beteiligung an einem geschlossen Immobilienfonds zum Gegenstand hat1:

Ein Anlageberater ist in Bezug auf das Anlageobjekt verpflichtet, den Kunden rechtzeitig, richtig und sorgfältig sowie verständlich und vollständig zu beraten. Insbesondere muss er den Interessenten über die Eigenschaften und Risiken unterrichten, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können2.

Dementsprechend gehört es zu den Pflichten eines Anlageberaters, über das Risiko aufzuklären, dass die Kommanditistenhaftung der Anleger trotz vollständig erbrachter Einlageleistung unter den Voraussetzungen des § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt3. Die diesbezügliche Aufklärungspflicht ergibt sich daraus, dass die an den Anleger erfolgte Auszahlung (Ausschüttung) durch den Fonds nicht sicher ist, sondern gegebenenfalls zurückgezahlt werden muss.

Das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung stellt ein strukturelles Risiko dar, das dem Anleger gegenüber gesondert aufklärungsbedürftig ist.

Die wieder auflebende Kommanditistenhaftung hat erhebliche Auswirkungen auf die prognostizierte Rendite, die nachträglich wieder entfallen oder verringert werden kann. Da diese Renditeerwartung regelmäßig wesentlicher Maßstab für die Beurteilung der Anlage ist, kommt dem Risiko der wieder auflebenden Kommanditistenhaftung im Regelfall besondere Bedeutung für die Anlageentscheidung zu.

Im Rahmen des Anlageberatungsgesprächs muss deshalb darüber aufgeklärt werden, da es in die Entscheidung des Anlegers gestellt ist, welche Bedeutung er diesem Risiko bei der ins Auge gefassten Kapitalanlage beimessen will4.

Eine derartige Aufklärung kann auch durch die Übergabe von Prospektmaterial erfolgen, sofern der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötige Information wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann5. In einem solchen Fall muss jedoch in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob die im Prospekt erfolgte hinreichende Darstellung (insbesondere) der Risiken und Chancen der Anlage durch Angaben des Beraters entwertet worden ist. Denn der ordnungsgemäße Prospektinhalt ist für den Berater kein Freibrief, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt leerlaufen lässt oder in ihrer Bedeutung für die Anlageentscheidung mindert6.

Im vorliegenden Fall hatte die Anlageberaterin allerdings ihre aus dem Beratungsvertrag folgende Pflicht zur Aufklärung über das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung (§ 172 Abs. 4 HGB) aufgrund der Angaben im Prospekt nicht verletzt:

Für die Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist auf das Gesamtbild abzustellen, das er dem verständigen Anleger unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre vermittelt7. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Belehrung im Anlageprospekt über das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung als ausreichend dar. Der Bundesgerichtshof kann dabei die inhaltlichen Aussagen des Prospekts selbst auslegen8.

In dem Prospekt wird zu Beginn in dem Kapitel über die wichtigsten Fakten des M. Nr. 37 unter der Überschrift „Haftung der Zeichner“ darauf hingewiesen, dass die Zeichner der Anlage zwar über die im Handelsregister eingetragene Einlage hinaus nicht hafteten, sich jedoch aus dem Gesetz Einschränkungen und Besonderheiten ergeben könnten. Insoweit wird auf die Lektüre der Seiten 23 und 28 verwiesen. In dem Kapitel über die steuerlichen Grundlagen wird unter der Überschrift „Ausschüttungen“ sodann erläutert, dass die Ausschüttungen an die Gesellschafter aus Liquiditätsüberschüssen finanziert würden, die sich aus der Differenz zwischen den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen einerseits und den laufenden Ausgaben andererseits ergäben. Dass es sich bei diesen Liquiditätsüberschüssen nicht um Gewinne der Gesellschaft handelt, musste sich auch dem in wirtschaftlichen Dingen nicht erfahrenen, jedoch hinreichend aufmerksamen Anlageinteressenten erschließen. Bereits aus dem mit den Worten „Einnahmen abzgl. der steuerlichen Werbungskosten“ beginnenden, im Tatbestand zitierten Absatz auf Seite 23 des Prospekts ergibt sich, dass die Liquiditätsüberschüsse nicht mit dem Gewinn identisch sind. Noch deutlicher wird dies unter Berücksichtigung der abgedruckten Prognoserechnung. Aus dieser geht klar hervor, dass zur Ermittlung des Gewinns von dem Liquiditätsüberschuss unter anderem die Abschreibung, Werbungs- sowie Instandhaltungskosten in Abzug zu bringen waren. Weiterhin wird in dem Kapitel „Ausschüttungen“ erläutert, dass es infolge der Ausschüttungen zu einem „negativen Kapitalkonto“ bei den Gesellschaftern kommen könne und „durch die Ausschüttung die Haftung des Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt“ mit der Folge, dass die Ausschüttung gemäß § 15a Abs. 3 EStG nicht als Gewinn versteuert werden müsse. Ergänzend wird auf § 6 des Gesellschaftsvertrags verwiesen und zugleich (erneut) hervorgehoben, dass die Haftung des Kommanditisten zwar auf seine Einlage beschränkt sei und keine Nachschusspflicht bestehe, die Vorschrift des § 172 Abs. 4 HGB jedoch „unbeschadet hiervon“ gelte. § 6 des Gesellschaftsvertrags stellt klar, dass der vertragliche Ausschluss einer Nachschusspflicht die gesetzliche Regelung über die Haftung der Kommanditisten gegenüber Gesellschaftsgläubigern nach §§ 171 ff HGB unberührt lässt.

Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Prospektinhalts, die das Berufungsgericht unterlassen hat, kann nicht zweifelhaft sein, dass der durchschnittlich gebildete, gehörig aufmerksame und verständige Anleger durch diese Hinweise hinreichend darüber aufgeklärt wird, dass er Ausschüttungen unter Umständen bis zur Höhe seiner Hafteinlage wieder zurückzahlen muss. Wenn einerseits Ausschüttungen in Aussicht gestellt werden und gleichzeitig deutlich gemacht wird, dass sie aus der Liquidität, also nicht aus erwirtschafteten Gewinnen stammen, und wenn andererseits – zur Erhöhung der Attraktivität der Anlage – steuerliche Verluste (durch die Geltendmachung von Werbungskosten und Sonderabschreibungen) gewollt sind, dann erschließt sich jedem verständigen Anleger, dass die Ausschüttungen – jedenfalls für die Startphase, aber auch bei Ausbleiben des erwarteten wirtschaftlichen Erfolgs des Projekts – zu Lasten der Deckung der Hafteinlage gehen und deshalb die Haftung des Kommanditisten wieder aufleben kann. Wie die Streithelferin in der Revisionsbegründung zu Recht anführt, drängt es sich auf, dass ein Kommanditist, der keinen realen Gewinn entnimmt, sondern sich durch jährliche Ausschüttungen Haftungskapital auszahlen lässt, gegenüber den Gesellschaftsgläubigern dafür einstehen muss. Dieses Haftungsrisiko wird in dem Prospekt zu dem M. Fonds Nr. 37 – wie dargelegt – dem Anleger jedenfalls im Kern hinreichend deutlich vor Augen geführt. Eine weitergehende (abstrakte) Erläuterung der Haftung aus § 172 Abs. 4 HGB – die Vorschrift wird im Prospekt wiederholt erwähnt – war nicht geboten9. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in den Verfahren – III ZR 199/12 und – III ZR 292/13, die ebenfalls den Anlageprospekt zum M. Nr. 37 zum Gegenstand hatten, die Prospekthinweise zum Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nicht beanstandet und die Nichtzulassungsbeschwerden der damaligen Kläger mit Beschlüssen vom 28.02.2013 und 20.03.2014 zurückgewiesen. Auf die in der Revisionserwiderung angeführten abweichenden Prospektinhalte anderer Fonds kommt es nach alledem nicht an.

Soweit das Thüringer Oberlandesgericht10 meint, für einen gesellschafts- und steuerrechtlich nicht versierten Anleger habe keine Veranlassung bestanden, den Abschnitt über die steuerlichen Grundlagen und die Ausschüttungen sorgfältig im Hinblick auf mögliche Konsequenzen für seine Haftung durchzulesen, wobei die unauffällige Platzierung und Gestaltung des Hinweises erschwerend ins Gewicht fielen, vermag der Bundesgerichtshof diese Ansicht nicht zu teilen. Zum einen kann keine Rede davon sein, dass die Hinweise auf das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung an versteckter Stelle platziert worden sind. Vielmehr erfolgen die Hinweise dort, wo sie mit den – gewinnunabhängigen – Ausschüttungen beziehungsweise dem Umfang der Kommanditistenhaftung in einem sachlichen Zusammenhang stehen, so dass ein weiterer Hinweis in dem Kapitel über die „Risiken und Chancen“ entbehrlich war. Zum anderen war von einem verständigen Anleger zu erwarten, dass er den Prospektinhalt hinsichtlich der steuer- und haftungsrechtlichen Auswirkungen der Ausschüttungen und des Umfangs der Kommanditistenhaftung sowie den im Prospekt abgedruckten Gesellschaftsvertrag sorgfältig zur Kenntnis nimmt und gegebenenfalls von sich aus Nachfragen stellt.

Anhaltspunkte dafür, dass der Anlageberater die im Prospekt erfolgte Aufklärung durch mündliche Erklärungen entwertet haben könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Anlageberater hat vielmehr keine über den Prospektinhalt hinausgehenden Angaben gemacht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Februar 2016 – III ZR 14/15

  1. Bestätigung und Fortführung des BGH, Urteils vom 04.12 2014 – III ZR 82/14, WM 2015, 68
  2. st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 24.04.2014 – III ZR 389/12, NJW-RR 2014, 1075 Rn. 9 mwN; und vom 04.12 2014 – III ZR 82/14, WM 2015, 68 Rn. 9
  3. BGH, Urteile vom 22.07.2010 – III ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1620 Rn.20, 23; und vom 04.12 2014 aaO
  4. BGH, Urteil vom 04.12 2014 aaO Rn. 10
  5. BGH, Urteil vom 24.04.2014 aaO Rn. 9 mwN
  6. BGH, Urteile vom 24.04.2014 aaO Rn. 23 mwN; und vom 17.09.2015 – III ZR 385/14, NJW-RR 2015, 1522 Rn. 17
  7. BGH, Urteile vom 20.06.2013 – III ZR 293/12, BeckRS 2013, 11561 Rn. 12 mwN; und vom 11.12 2014 – III ZR 365/13, NJW-RR 2015, 732 Rn. 18
  8. vgl. BGH, Urteile vom 24.04.2014 aaO Rn. 11; und vom 11.12 2014 aaO Rn.19
  9. vgl. BGH, Beschlüsse vom 09.11.2009 – II ZR 16/09, NZG 2009, 1396 m. Anm. Goette, DStR 2010, 123; und vom 17.05.2010 – II ZR 132/09, BeckRS 2010, 14407; s. auch BGH Urteile vom 27.10.2009 – XI ZR 337/08, NJW-RR 2010, 115 Rn. 28 und – XI ZR 338/08, BeckRS 2009, 86793 Rn. 30
  10. Thür OLG, Urteil vom 16.12.2014 – 5 U 483/13

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